Ein Ehepaar hatte nach der Scheidung 2016 das gemeinsame Haus in Wohnungseigentum aufgeteilt. Von den drei Wohnungen erhielt die Frau eine, zwei behielt der Mann. Gegenseitig bewilligten sie sich dingliche Vorkaufsrechte für die jeweiligen Wohnungen.
2019 verkaufte der Mann eine seiner Wohnungen, die zum Zeitpunkt der Aufteilung in Wohnungseigentum bereits vermietet war. Seine geschiedene Ehefrau übte ihr Vorkaufsrecht aus. Der Mieter wollte ebenfalls die Wohnung kaufen und machte sein Vorkaufsrecht (gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB) geltend.
Im Oktober 2019 schlossen der Eigentümer und der Mieter einen notariellen Vertrag, der die Einzelheiten zu dem durch den Vorkauf zustande gekommenen Kauf regelte. Der Mieter wurde als Eigentümer in das Wohnungsgrundbuch eingetragen. Das wollte die Frau nicht hinnehmen. Sie war der Ansicht, dass ihr Vorkaufsrecht gegenüber dem Mieter Vorrang hat. Daher verlangte sie von ihrem Ex-Ehemann, ihr das Eigentum an der Wohnung zu übertragen sowie die Eintragung als Eigentümerin zu bewilligen.
Ihre Klage fand weder vor dem Landgericht noch vor dem Oberlandesgericht Zuspruch. Beide Gerichte waren der Ansicht, das Vorkaufsrecht des Mieters gehe dem “gewillkürten dinglichen Vorkaufsrecht” der Angehörigen vor, wenn letzteres – wie im vorliegenden Fall – bei Überlassung der Wohnung an den Mieter noch nicht bestanden habe.
Doch der Bundesgerichtshof war anderer Auffassung. Das oberste Gericht ging davon aus, dass das dingliche Vorkaufsrecht der Ex-Ehefrau Vorrang vor dem Mietervorkaufsrecht hat.
Ein dingliches Vorkaufsrecht genieße dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es vom Eigentümer zu Gunsten eines Familienangehörigen (im Sinne von § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB) bestellt wurde. So war es hier geschehen. Eheleute sind im Sinne dieser Regelung auch dann als Familienangehörige anzusehen, wenn sie geschieden sind.
Selbst wenn es erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter geltend gemacht wurde, habe das dingliche Vorkaufsrecht Vorrang. Der Ex-Mann habe die Wohnung gemäß der genannten Vorschrift auch direkt seiner Ex-Frau verkaufen können, ohne dass der Mieter zum Vorkauf berechtigt gewesen wäre, so der BGH.
Aus diesem Grund sei nicht ersichtlich, warum das Vorkaufsrecht des Mieters vor dem dinglichen Vorkaufsrecht des Familienangehörigen Vorrang haben sollte.
(BGH, Urteil v. 27.9.2024, V ZR 48/23)
Wissenswertes
19.11.2024